Die Vollversammlung der Jusos Dresden möge beschließen und an die Landesdelegiertenkonferenz der Jusos Sachsen mit dem Ziel der Weiterleitung an den Landesparteitag der SPD Sachsen:

Angesichts des Aufkommens von PEGIDA und der Zunahme von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Sachsen bekräftigen wir den Beschluss der sächsischen SPD von 2013 für eine „Demokratieoffensive Sachsen“. Wir fordern die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag auf, diesen konsequent umzusetzen.[1]

Aktuelle Ereignisse wie auch die allgemeine Entwicklung des gesellschaftlichen Klimas speziell in Sachsen der vergangenen Jahre führen uns vor Augen, dass die politische Bildung im Freistaat grundlegend auf den Prüfstand gestellt werden muss. Es gilt ein Lernkonzept für Demokratie und zivilgesellschaftliches Engagement zu entwickeln und zu implementieren, dass die Persönlichkeitsbildung mit dem Ziel verbindet, die Stabilität und Weiterentwicklung unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung zu fördern. Richtungsgebend soll hierbei das pädagogische Modell der Civic Education sein, das darauf zielt, durch lebenslanges soziales und interkulturelles Lernen demokratisches Handeln und Denken einzuüben. Die Schule als alle jungen Menschen erfassende Institution spielt hierbei eine herausragende Rolle. Civic Education muss als gesellschaftliche Allgemeinbildung in allen Bildungsgängen der allgemein- und berufsbildende Schulen sowie der Hochschulen verankert werden.

Der Begriff der „Civic Education“ wird hier in Abgrenzung zum Begriff der „Politischen Bildung“, der vordergründig auf kognitives Lernen abstellt, angewandt. Civic Education bündelt neben den Methoden der politischen Bildung ebenso Konzepte zur Stärkung von Partizipation von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, der demokratischen Gestaltung des Alltags in pädagogischen Einrichtungen sowie der Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement. Civic Education heißt also auch soziales Lernen. Politische Bildung hingegen beschränkt sich zumeist auf Universitäten und den Unterricht in den Schulen. Diese wird dort aber mehr als reine kognitive Lernaufgabe gefasst und nicht wie in anderen demokratischen Staaten als Erziehungsauftrag aller staatlichen (Bildungs-) Einrichtungen.

Konkret fordern wir:

  • das Konzept der Civic Education insbesondere im Sächsischen Schulgesetz, in den Lehrplänen und Curricula zu verankern. Entsprechende Zielsetzungen sollen sich im Bildungsauftrag der Schulen widerspiegeln.
  • dass, Hochschulen die Civic Education aller Studierenden und insbesondere aller Lehramtsstudierenden fördern. Civic Education soll in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von LehrerInnen fächerübergreifen verankert werden. Sie sollen bereits in ihrer grundständigen Ausbildung entsprechende pädagogische Haltungen und Handlungskompetenzen entwickeln.
  • Civic Education in Sachsen an einem Hochschulstandort zu institutionalisieren, etwa nach dem Vorbild des Instituts für Didaktik der Demokratie der Leibnitz Universität Hannover, das Forschungs- und Transferaktivitäten auf den Feldern von Politischer Bildung und Demokratiepädagogik, Geschichte und Erinnerungskultur sowie den sozialen Herausforderungen unserer Zeit bündelt..[2]

Civic Education in der Erwachsenenbildung sachsenweit lokal zu institutionalisieren. In Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung sollen nach niedersächsischem Vorbild mit lokalen Einrichtungen der Erwachsenenbildung Demokratiezentren aufgebaut werden, die sich als Ansprechpartner vor Ort in der Demokratiebildung verstehen.[3]

[1] Vgl. SPD Sachsen: Demokratieoffensive Sachsen – für ein Land, in dem jede Stimme zählt, Beschluss des Landesparteitages vom 12. Oktober 2013, unter: http://www.spd-sachsen.de/wp-content/uploads/2014/08/1_L01-Demokratieoffensive-Sachsen.pdf

[2] Vgl. Institut für Didaktik der Demokratie: http://www.demokratiedidaktik.de/das-institut/inhalte-und-ziele

[3] Vgl. Demokratiezentren in der niedersächsischen Erwachsenbildung: http://www.demokratiezentren-nds.de/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=108&Itemid=482

Begründung

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, dass er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ Ernst-Wolfgang Böckenförde.

Die FES-Studie „Fragile Mitte – Feindselige Zustände“ vom November 2014 belegt, dass rechtsradikale Einstellungen fest in der Mitte der Gesellschaft verankert sind.[1] Jeder fünfte Deutsche sei hiernach fremdenfeindlich, in den ostdeutschen Bundesländern sogar jeder Vierte. Bedenklich stimmt die hohe Zustimmung zu vorurteilsgeleiteten Auffassungen gegenüber Asylsuchenden Menschen: 52,8 Prozent im Osten bzw. 44 Prozent im Bundesdurchschnitt.

Mehr noch zeigt die Studie, dass Rechtsradikale und menschenfeindliche Einstellungen einhergehen mit Zweifeln an der Demokratie, Misstrauen gegenüber politische Eliten und Ablehnung der Europäischen Union.

PEGIDA heißt das Phänomen, das den Beweis für die Beobachtungen der Studie für Sachsen, insbesondere für die Region Dresden erbracht hat. Viele BeobachterInnen verstehen PEGIDA als Reaktion auf die Herausforderung unserer Zeit, Migration, Globalisierung bzw. Europäisierung und Gleichstellungsfragen, die sich vor allem in einer Zunahme gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ausdrückt. Diese Erklärung allein reicht jedoch nicht aus, soll die Frage beantwortet werden, „WARUM Sachsen, WARUM Dresden?“.

Warum von politischer Bildung zu Civic Education?

Der Blick auf den Stellenwert des Fachs Gemeinschaftskunde (GWR) legt nahe, dass das sächsische Schulsystem hier mehr leisten kann und muss: 80 Stunden muss einE SchülerIn ab der 9. Klasse das Fach GWR bis sie/er die Oberschule verlässt. Der Mittelwert liegt im Bundesdurchschnitt bei 201 Unterrichtsstunden. Damit belegt Sachsen im bundesweiten Vergleich gemeinsam mit Bayern den letzten Rang. In den Klassenstufen 11 und 12 muss GWR nicht belegt werden.[2]

Eine Ausweitung der Stundenzahl ist denkbar, bei der vergleichsweise hohen Gesamtstundenzahl sächsischer SchülerInnen stößt diese Forderung jedoch auch an Grenzen. Vor diesem Hintergrund gilt es umso mehr Konzepte umzusetzen, die nicht fachorientiert sind, sondern die Schule ganzheitlich in den Blick nehmen. Politische Bildung darf sich nicht nur auf den Gemeinschaftskundeunterricht beschränken, sie soll vielmehr prägender Teil der Schulkultur werden. Das Ideal ist die demokratische Schule, die entsprechende fachdidaktische Anforderungen an die gesamte LehrerInnenschaft und ihre Ausbildung stellt.

Ein (Forschungs-)Institut zur Didaktik der Demokratie kann somit ein bedeutender Partner bei der (Weiter-)Entwicklung von Lehramtsstudiengängen sein. Darüber hinaus soll es nach niedersächsischem Vorbild mit Einrichtungen der schulischen sowie Jugend- und Erwachsenenbildung kooperieren, um Erkenntnisse im Bereich der Didaktik der Demokratie zu vermitteln.

Regionale Demokratiezentren sind ein weiterer Schritt demokratische Grundwerte in der Bevölkerung zu verankern. Diese Zentren sollen nicht nur reine Begegnungsstätten sein, sondern auch als Fortbildungsstätte für alle Altersklassen und Bevölkerungsschichten zur Verfügung stehen. Neben Jugendarbeit mit Kooperation mit Jugendstiftung und den kommunalen Trägern der Jugendfürsorge, soll dort auch klassische Erwachsenenbildung stattfinden

[1] Vgl. Ralf Melzer (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland, Bonn 2014, unter: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf

[2] Vgl. Andreas Kalina: Erfolgreich.Politisch.Bilden. Faktensammlung zum Stand der Politischen Bildung in Deutschland. Handreichung zur Politischen Bildung, Bd. 4, Berlin 2014, unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_20184-544-1-30.pdf?140127145035