Kein ‚Ganz oder Gar-Nicht‘ in der Ausbildungsförderung

Die Vollversammlung der Jusos Dresden möge beschließen (und an die SPD-Bundestagsfraktion weiterleiten):

Laut § 48 Abs. 1 BAföG (Mitwirkung von Ausbildungsstätten) unterliegt der Anspruch auf Ausbildungsförderung für Student_innen nach dem vierten Semester einem Leistungsnachweis der Ausbildungsstätte. Dieser möge dahingehend modifiziert werden, dass mit dem Nichterreichen der für das jeweilige Fachsemester üblichen Leistungen nicht die gesamte Förderung abbricht, sondern gestaffelt reduziert wird.

Für gewöhnlich besteht mit einem Leistungsnachweis über mindestens 80% der im Studienablaufplan erwarteten Leistungen der unveränderte Anspruch auf die finanzielle Unterstützung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Wird diese 80%-Marke nicht erreicht, entfällt der Anspruch auf Ausbildungsförderung.

Wir fordern stattdessen eine abgestufte Anpassung der Ausbildungsförderung. Dies kann dementsprechend wie folgt aussehen:

  • 80 – 100 %: volle Ausbildungsförderung
  • 60 – 80 %: Senkung der Förderung auf 75%
  • 40 – 60 %: Senkung der Förderung auf 50%
  • 20 – 40 %: Senkung auf 25%

Begründung:

  1. Mit der kompletten Streichung des BAföG-Anspruchs wird den Studentinnen und Studenten nicht selten die Möglichkeit zum Aufholen des Defizits geraubt. Die Sanktionierung verfehlt ihr Ziel, wenn sie den Betroffenen zum schnellen Studienabschluss drängen will, da mit der Notwendigkeit einer anderen Studienfinanzierung der Abschluss entweder (durch das zusätzliche Arbeitspensum im Nebenjob) in weitere Ferne rückt oder (durch Studienkredite) mit einer enormen Schuldenlast am Ende des Studiums einhergeht. Insofern schadet der undifferenzierte und ersatzlose Wegfall des Förderungsanspruchs dem Studienablauf statt diesen zu bestärken.
  1. Sind bereits vier Semester BAföG-gefördert, ist mit dem Finanzierungsstopp häufig auch die berufliche Umorientierung oder die oben erläuterte Studienverzögerung zu befürchten. Dies kann nicht im Interesse der Studentenwerke sein, da sie somit die Hochschullaufbahn beenden oder erschweren, also wissenschaftlichen Nachwuchs verschleißen bzw. durch den verlängerten Immatrikulationszeitraum sich selbst finanziell zusätzlich belasten1.
  1. Da die Förderung erst wieder aufgenommen wird, wenn die für das Fachsemester üblichen Leistungen nachgewiesen werden können, bedeutet das praktisch nach dem vierten Semester das Ende der Förderung2, da der nächstmögliche Bewilligungszeitraum erst im Folgejahr, in dem das Studium beendet sein müsste, erreicht wird. Im denkbar seltenen Fall, des Aufholens aller fehlenden Leistungen, könnte das Studium, weil erfolgreich beendet, logischerweise nicht weiter gefördert werden. Statt jenes Jahres, in dem man seine Leistungen (ohne Förderung) wieder auf ein für das fünfte Semester erwartetes und vorausgesetztes Niveau anhebt, auch in den Förderrichtlinien auszusparen, wird ein deutlich höheres Leistungspensum inklusive finanzieller Selbstversorgung angedacht.
  1. Grundlage für die Berechnung des Leistungsnachweises sind die abgeschlossenen Module, nicht die Teilleistungen, aus denen sie bestehen. Dies hat zur Folge, dass praktisch mehr als 80% der Leistungen erbracht sein können, aber in den einzelnen Modulen wenige Teilleistungen fehlen, weshalb sie nicht als abgeschlossen und somit auch nicht als für den Leistungsnachweis relevant gelten können. Die sich daraus ergebende Konsequenz eines Studienfinanzierungsstopps, trotz weitestgehend bestandener Modulprüfungen, erzeugt in dem aus o.g. Gründen mangelhaften Sanktionssystem eine zusätzliche Ungerechtigkeit.
  1. Die Sozialerhebung „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012“ listet die fehlende Leistungsbescheinigung als Grund der Nicht-Förderung nach der Überschreitung der Förderungshöchstdauer, dem elterlichen Einkommen und dem Eigeneinkommen an vierter Stelle (S. 291). Gleichzeitig betrifft dies zwar 20% derer, welche eine ‚niedrige Bildungsherkunft‘ angeben, dagegen nur 4% mit ‚hoher Bildungsherkunft‘. Eine Änderung im Sinne des Antrags flankiert somit auch die Herkunftsunabhängigkeit des Ausbildungswegs.
  1. Ein elternunabhängiges BAföG sowie Anpassungen verschiedener Förderrichtlinien sind bereits feste Positionen der Jusos. Die Nachbearbeitung des Leistungsnachweises ist dabei nur ein weiterer Bestandteil der anvisierten Bildungsgerechtigkeit.

1 Hierbei sei erwähnt, dass der Studienplatz an sich ein Vielfaches von eventuellen Förderbezügen der Studierenden kostet.

2 Zumindest bei einer Regelstudienzeitz von sechs Semestern