Inklusion

Weiterleitung: Landesdelegiertenkonferenz der Jusos Sachsen, Landesparteitag der SPD Sachsen

Wir fordern die uneingeschränkte Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und setzen uns in allen Bereichen gemäß dem Ideal einer inklusiven Gesellschaft ein.

Eine inklusive Gesellschaft umschließt jedes Individuum im gleichen Maße, jedeR muss die Möglichkeit haben sich frei zu entfalten und darf dabei nicht von Außen eingeschränkt und behindert werden. Der “volle und gleichberechtigte Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten”, sowie “die Achtung der ihnen innewohnenden Würde” (Artikel 1 der UNBehindertenrechtkonvention) muss besonders für behinderte Menschen, die auch zusätzlich von den Barrieren in der Gesellschaft behindert werden, gefördert, geschützt und gewährleistet werden. Wir stellen uns gegen “jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird.” (Art. 2 UN-BRK) Wir akzeptieren alle im Artikel 3 UN-BRK aufgezählten Grundsätze als unsere eigenen: die Achtung der Würde, inneren Autonomie, Entscheidungsfreiheit, Unabhängigkeit, Nichtdiskriminierung, Teilhabe und Mitgestaltung der Gesellschaft, Achtung der Unterschiedlichkeit, Akzeptanz von Behinderten als Teil menschlicher Vielfalt, Chancengleichheit, Zugänglichkeit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Recht auf Wahrung der Identität von Kindern und Achtung deren Entwicklungsfähigkeit.

Dazu legen wir verstärkt unser Augenmerk darauf, dass nicht gesunde, arbeitsfähige Menschen den Schwerpunkt der politischen Arbeit für die Gesellschaft ausmachen, sondern verstärkt auf Kinder, Behinderte, Kranke und Ältere geachtet werden muss – an sie sind unsere Infrastrukturen zumeist nicht angepasst. Die Jusos Dresden setzen sich besonders für folgende Punkte ein:

1. Wir brauchen – wie unter Art. 24, Abs. 1 UN-BRK gefordert – ein inklusives Schulsystem. Das heißt, dass jedes Kind an jeder Schule lernen können muss. Die Behauptung unser mehrgliedriges Schulsystem nehme jeden (entsprechend seinen Leistungen) auf und erfülle schon damit die Bedingungen des Art. 24 der UN-BRK, hat nichts mit Inklusion zu tun und wird von uns strickt abgelehnt. Es geht nicht darum, behinderten Schüler_innen zugewiesene Plätze zu geben, aus denen sie nicht mehr herauskommen, sondern ihnen den Weg zur Selbstständigkeit und freien Entfaltung zu öffnen. Die Schulwahl gehört zu den Freiheiten aller Menschen und darf nicht aufgrund von Behinderungen eingeschränkt werden. Für behinderte Kinder gedachte Förder- und Sonderschulen sind meist nur mit langen Wegen erreichbar und schotten sie ab – sie sind in einer nahezu homogenen Umgebung und haben keine Chance sich sehr viel weiter zu entwickeln und anderes kennenzulernen. Sie entsprechen daher nicht dem Artikel 26 UN-BRK (Habilitation und Rahabilitation), der besagt, dass auf allen Ebenen frühstmöglich mit der Rehabilitation in die Gesellschaft begonnen werden muss, mit dem Ziel der Selbstständigkeit. Außerdem gehören sie damit nicht zu dem von uns angestrebten Bildungssystem. Das heißt allerdings nicht, dass wir die dort geleistete Arbeit verwerfen. Wir stehen lediglich für eine Verlagerung der pädagogischen Ressourcen an Grund- und Mittelschulen, sowie Gymnasien, bzw. eine Öffnung der Förder- und Sonderschulen für nicht-behinderte Kinder. Bei unserem Ideal – der Gemeinschaftsschule – gilt: eine Schule für alle! Aber auch im aktuellen mehrgliedrigen Schulsystem, kann dieser Schritt getan werden, indem man jede Schule für jedes Kind öffnet, egal ob Gymnasium, Mittel- oder Grundschule, KiTa oder Förderschule und egal ob behindert oder nicht. Hierbei dürfen keine exkludierenden Klassen entstehen, sondern die Kinder müssen wirklich zusammen lernen können. Behinderte Kinder lernen so besser und nicht-behinderte Kinder lernen – wie Studien zeigen – nicht schlechter. Hinzu kommt, dass die sozialen Kompetenzen und die Selbstständigkeit der Kinder (ob behindert oder nicht) geschult werden und sie ein anderes Bild von Gemeinschaft erfahren und leben. Diese soziale Erfahrung sehen wir, genauso wie die UN-BRK im Art. 24, Abs. 1b als Ziel: “mit dem Ziel […] die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken”

Das gemeinsame Lernen ist schwer mit Frontalunterricht umsetzbar, es gibt aber viele Methoden und reformpädagogische Ansätze mit denen man dies ähnlich gut bewerkstelligen kann. Diese Entscheidung muss in die Hand der Lehrer_innen und Schulen gelegt werden. Die nötigen Ressourcen müssen dahin verschoben werden, wo sie gebraucht werden. Dazu gehören zusätzliche finanzielle Mittel, angemessen kleine Personalschlüssel, entsprechende Lehr- und Lernmittel und Pädagog_innen mit der nötigen Ausbildung bzw. entsprechende Weiterbildungen für diese.

2. Wir brauchen einen “gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden”. (Art. 9, UN-BRK) Barrierefreiheit kann nicht sofort entstehen, hierfür ist ein langer Weg der stetigen Barrierereduzierung notwendig und viele Punkte müssen bedacht werden. Wir setzen es uns allerdings zum Ziel immer wieder darauf aufmerksam zu machen, wenn Barrierefreiheit nicht besteht und setzen uns politisch dafür ein, sie zu erwirken. 

Von Barrieren sind besonders Menschen mit Einschränkungen im Bereich Gehen, Hören, Sehen und Verstehen betroffen, aber auch übergewichtige, kranke und Menschen. Wir sind uns darüber bewusst,

  • dass es an jeder Straße abgesenkte Bordsteine geben muss,
  • dass diese nicht bei besonderen Gelegenheiten blockiert werden dürfen (z.B. durch Stände bei Straßenfesten) und im Winter beräumt werden müssen,
  • dass die Bodenbeläge für Rollstühle und Kinderwagen geeignet sein müssen,
  • dass es an wichtigen Punkten Bodenmarkierungen für sehbehinderte Menschen gibt,
  • dass besonders öffentliche Gebäude, aber auch neue Wohn- und Geschäftshäuser für Menschen mit Mobilitätsbehinderungen, insbesondere Rollstuhlfahrer_innen, zugänglich gemacht werden müssen,
  • dass Drehkreuze in Supermärkten für Menschen mit Behinderungen und übergewichtige Menschen hinderlich sind und daher abgeschafft werden sollten,
  • dass es in öffentlichen Gebäuden und neuen Wohn- und Geschäftshäusern breite Türen geben muss, damit übergewichtige Menschen und Rollstuhlfahrer_innen durch kommen,
  • dass öffentliche Toiletten generell für Rollstuhlfahrende geeignet sein sollten, die dafür angebrachten Griffe sind auch für Alte, Kranke und Übergewichtige nützlich, diese Toiletten sollten genauso gut erreichbar sein, wie es andere Toiletten bisher sind und nicht im letzten Winkel eines Gebäudes zu finden sein,
  • dass öffentlich zugängliche Gebäude einen Fahrstuhl bzw. eine andere barrierefreie Lösung besitzen müssen und dies auch bei neuen Gebäuden erstrebenswert ist, auch dies hilft kranken, körperlich behinderten, übergewichtigen und älteren Menschen gleichermaßen,
  • dass es in Fahrstühlen und öffentlichen Verkehrsmitteln Durchsagen und Anzeigen gibt, welche darüber informieren, wo man sich befindet und wo man hin fährt – auch dies hilft nicht nur sehbehinderten Menschen, sondern auch Ortsfremden
  • dass öffentliche Verkehrsmittel stufenfrei sein müssen oder wenn dies nicht möglich ist über entsprechende Zugangs-Hilfsmittel verfügen müssen und auch für behinderte Menschen Ermäßigungen anbieten um dem Mobilitätsanspruch Folge zu leisten

3. Wir müssen selbst inkludierend werden. Die Tagungsorte der Jusos Dresden waren bisher selten barrierefrei oder -reduziert. Dieses Problem ist uns bewusst. Das Angebot an Behinderte, an unseren Veranstaltungen teilzunehmen und so politisch zu partizipieren, wie es auch im Art. 29 gefordert wird, darf nicht darunter leiden. Daher muss immer die Möglichkeit bestehen, zu einem barrierereduzierten Sitzungsort zu wechseln, wenn Bedarf besteht. Auch wir sollten behinderten Menschen uneingeschränkt “die Möglichkeit [politische Rechte] gleichberechtigt mit anderen zu genießen” bieten. Dazu gehört auch eine barrierefreie Homepage. In der BRK ist die Rede davon, dass die Wahlmaterialien u.a. “leicht zu verstehen und zu handhaben” sein müssen. Wir setzen uns das gleiche Ziel für unsere Veranstaltungen: Politik ist kein Privileg der hoch gebildeten, sondern muss für jeden offen sein. Wir bemühen uns um eine durchsichtige Verbandsarbeit und schlichte, gut verständliche Wortwahl bei Veranstaltungen. Es liegt uns besonders am Herzen politische Bildungsveranstaltungen so zu halten, dass sie dem Grundsatz des lebenslangen, gleichberechtigten Lernens von Behinderten entsprechen.

Wir sehen Inklusion als ein wesentliches Ziel unserer politischen Arbeit und thematisieren sie dauerhaft, auch um die Barrierefreiheit in unserem Denken zu erreichen.

4. Wir stellen uns klar gegen das in der Schule, den Medien, der Wirtschaft und der Medizin vermittelte Bild, Menschen mit Behinderungen seien minderwertig. Wir glauben, dass sie unter ihren Einschränkungen leiden, nicht aber so stark, wie unter den gesellschaftlichen Barrieren. Wir sehen behinderte Menschen genauso als zu wertschätzende Individuen an, wie alle anderen Menschen auch. Das Selbe gilt selbstverständlich auch für Kranke und Ältere. Wir wollen keine Gesellschaft, in der Randgruppen existieren, wir wollen auch keine Gesellschaft, aus der viele Individuen ausgeschlossen werden. Die Integration einzelner Menschen oder Gruppen ist ein guter Ansatz um auch deren Belange ernst zu nehmen. Sie aber nur einer Gesellschaft hinzufügen zu wollen, entspricht nicht ihrer natürlichen Menschenwürde. Wir setzen uns für eine inklusive Gesellschaft ein, in der alle Individuen, unabhängig von Kategorien, wie Sex, Gender, Behinderung, Krankheit, Herkunft, Aussehen, Religion oder Alter, von Anfang an dazu gehören. Wir wollen keine Sonderfälle und Ausnahmen für einzelne Gruppen hinzufügen, sondern sie von Anfang an in unser politisches Vorgehen einbeziehen und sie damit auch durchgängig beachten.