Dresden Nazifrei – auch 2013 wieder blockieren
Die Vollversammlung der Jusos Dresden (UBK) möge beschließen:
Die Jusos Dresden werden sich auch 2013 am Bündnis Nazifrei – Dresden stellt sich quer beteiligen und den Naziaufmarsch mit Menschenblockaden verhindern. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen.
Rückblick – Was erreicht wurde
Bis zum Jahr 2009 hatte sich der alljährliche Aufmarsch von Neonazis in Dresden zum größten in ganz Europa entwickelt. Von Seiten der Stadt wurde 10 Jahre lang lediglich mit Ignoranz auf diese Demonstrationen reagiert. Selbst auf der offiziellen städtischen Gedenkveranstaltung der Stadt war lange Zeit wie selbstverständlich eine Abordnung der NPD-Landtagsfrakion zugegen. Zusätzlich problematisch war die geschichtsrevisionistische Ausgestaltung des städtischen Gedenkens. Sinnbildlich dafür stehen die Stehlen auf dem Dresdner Heidefriedhof, Hier werden Stätten des von Deutschland begangenen Völkermords wie Auschwitz und Bergen-Belsen sowie durch deutsche Kriegshandlungen zerstörte Städte wie Coventry undifferenziert mit Dresden in eine Reihe gestellt. Diese Form der Geschichtsverdrehung und der Verschleierung der Kriegskausalitäten war immer anschlussfähig für die Nazis und hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass Dresden für die rechte Szene zum größten Mobilisierungserfolg in Europa werden konnte.
Der bis dahin größte Aufmarsch 2009 mit 7000 Neonazis auf der Strasse und die mehr oder weniger konsequenzlosen Antworten des zivilgesellschaftlichen Geh Denken-Bündnisses sowie einzelne Blockadeversuche von Antifagruppen haben gezeigt, dass neue Herangehensweisen und eine überarbeitete Bündnispolitik nötig waren, um Nazi-Demos etwas wirksames entgegenzusetzen.
2009 gründete sich daraufhin das Bündnis „Nazifrei – Dresden stellt sich quer“. Ziel war es, mit spektrenübergreifender Arbeit entschlossene Massenblockaden zu organisieren und damit den Aufmarsch ein für alle mal Geschichte werden zu lassen.
Bereits 2010 gelang es, die Nazis keinen Meter auf ihrer geplanten Route laufen zu lassen. Bis zum Jahr 2012 schrumpfte der rechte Großaufmarsch von mehreren tausend auf einige hundert Teilnehmer_innen am 13. Februar zusammen. Die Großdemo am Wochenende fiel dieses Jahr erstmals sogar ganz ins Wasser. Der massenhafte zivile Ungehorsam hat Wirkung gezeigt und der Mobilisierungsfähigkeit des nationalistischen Spektrums einen heftigen Schlag versetzt.
„Dresden Nazifrei“ war aber von Anfang an mehr als ein reines Aktionsbündnis. Mit der Absicht zehntausender, die das Bündnis auf die Straße gebracht hat, antifaschistische Intervention zu leisten, konnte genug Druck aufgebaut werden, um aktiv in den Gedenk- und Protestdiskurs der Stadt einzugreifen. Das Bewusstsein für die Verwicklung Dresdens in das Nationalsozialistische System wurde gestärkt und die Bereitschaft geweckt, über Symbolpolitik hinauszugehen. Stadt und Land waren gezwungen, auf uns zu reagieren und auf uns zu zu gehen. Indem tausende Bürger_innen taten, zu was ein ganzer Staatsapparat nicht in der Lage schien, legten sie den Finger in die Wunde und führten für alle sichtbar das Staatsversagen im Kampf gegen Rechts vor.
Konkret sind 2 Strategien auszumachen, mit denen von offizieller Seite auf die Tätigkeiten von Dresden Nazifrei reagiert wurde. Zum einen wird versucht, mit mäßigenden Äußerungen und symbolischen Aktionen die Erfolge des Bündnisses zu vereinnahmen und zivilgesellschaftliche Akteure aus dem Bündnis herauszubrechen. So hat die Stadt bereits im ersten Jahr versucht, den Erfolg der Blockaden der von ihr veranstalteten, weit ab vom Geschehen stattgefundenen Menschenkette zuzuschreiben. Gleichzeitig tritt Frank Richter als Sprecher der AG 13. Februar nach allen Seiten hin gesprächsbereit auf, um einen stadtweiten Konsens herzustellen, den selbst die konservative städtische CDU mittragen kann. Was im Hinblick auf die Ausgestaltung des Gedenkens sicher sinnvoll sein kann, kann nur unter Beachtung einer Zweiten Strategie betrachtet werden.
Durch massive Kriminalisierung und Repression wird versucht, Blockaden zu tabuisieren und einen Keil zwischen die Bündnisstrukturen zu treiben. Ihren Höhepunkt hatten diese Versuche im Jahr 2011, als nicht nur hunderte von Blockierer_innen mit Strafbefehlen für etwas überzogen wurden, das andernorts als Ordnungswidrigkeit abgehandelt wird. Noch gravierender und in seiner Form im Nachwendedeutschland wohl einmalig ist die Funkzellenabfrage mit seinen wohl mehr als einer Million angefallenen Daten und seinen mehreren 10.000 Betroffenen. Dieser die Verhältnismäßigkeit völlig vermissende Akt des Obrigkeitsstaates überführt all jene, die im Hinblick auf Blockaden auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit pochen.
Ausblick – Was zu tun ist
Der Zweck des Bündnisses „Nazifrei – Dresden stellt sich quer“ war es stets, den jährlich Nazigroßaufmarsch um den 13. Februar zu blockieren. 2012 fand nicht nur kein Großaufmarsch mit bundesweiter Mobilisierung statt, stattdessen hielten über 10000 Menschen die größte antifaschistische Demonstration der Nachkriegsgeschichte ab.
Nun könnte man fragen, wozu braucht es das Bündnis noch, wenn der Großaufmarsch in seiner Form Geschichte ist. Jedoch ist dies nur die halbe Wahrheit. Wenn wir den Zweck des Bündnisses ernst nehmen, müssen wir uns fragen, was wir in Dresden tatsächlich erreicht haben. Es muss darum gehen, den Diskurs so weit zu bestimmen, dass es die Dresdner bzw. sächsische Zivilgesellschaft weitgehend selbst schafft, wirksame Gegenaktionen für den 13. Februar zu verwirklichen und eine (geschichts-)politisch problematische Erinnerungspraxis so weit zu tabuisieren, dass die Stadt nicht umhin kommt, diese von sich aus zu überarbeiten. Wenn man aber den 13. Februar selbst betrachtet, so fällt hier auf, dass von Bündnisseite aus bisher kaum gewirkt werden konnte. Gegen die Wochenendaufmärsche konnte man aus ganz Europa mobilisieren, unter der Woche war man auf die Dresdner_innen angewiesen. Erst im Jahr 2012 konnte man hier bedeutende Fortschritte machen, so dass eine massive Verkürzung der Route erreicht werden konnte.
Aufgabe von Dresden Nazifrei für 2013 wird es also vor allem sein, stärker als bisher in die Stadt selbst und ihre Diskursräume hineinzuwirken und dort das entscheidende Umdenken herbei zu führen. Laut einer Umfrage sind angeblich etwa 75% der Dresdner Bevölkerung dazu bereit, sich an Blockaden zu beteiligen. Diese Menschen gilt es zu aktivieren und Dresden Nazifrei zu einem nachhaltigen Erfolg zu führen. Was binnen drei Jahren in Dresden zur guten Praxis geworden ist, soll weiter gelten: Keinen Meter den Nazis!