Die Jusos Dresden mögen beschließen und an die Landesdelegiertenkonferenz der Jusos Sachsen sowie den Unterbezirksparteitag der SPD Dresden weiterleiten:

Atomkraft? Ja? Nein! Vielleicht!?

Nach der verheerenden Katastrophe in Fukushima hat sich Deutschland 2011 richtigerweise dazu entschieden, seine Atomkraftwerke abzuschalten. Seitdem kommen vor allem aus konservativen bis rechtsradikalen Kreisen Forderungen nach einem Wiedereinstieg in die Atomkraft. Auch kommen vereinzelt derartige Forderungen von links, da der niedrige CO2-Ausstoß attraktiv erscheint. Dieser Antrag soll diese Forderung analysieren und einen jungsozialistischen Gegenentwurf erstellen.

Doch warum wird die Nutzung der Atomkraft überhaupt wieder diskutiert? Der Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung stellt unser Stromnetz auf den Kopf. Auch wenn erneuerbare Energien den Energiebedarf theoretisch decken können, benötigt eine sichere Versorgung ein Speichersystem. Wie die Speicherung von Energie erfolgen soll, ist nicht endgültig geklärt. Außerdem stellt die Wärmeversorgung ein großes Fragezeichen des Umstiegs dar. Dazu kommt der voraussichtlich steigende Energiebedarf, den Technologisierung und Digitalisierung mit sich führen. Kernkraft als planbare und in Zukunft eventuell kostengünstige Energiequelle könnte hier helfen, wären die Bedenken aus Ethik und Umweltschutz nicht. Um zu erklären, warum nach wie vor die Nachteile von Kernkraftwerken stark überwiegen, sollen einige theoretische Grundlagen folgen.

Um die Nutzung von Kernenergie zu betrachten, muss zunächst klargestellt werden, dass Forderungen nach dem Wiedereinstieg in Atomkraft grob drei Reaktortypen umfassen kann: konventionelle Spaltungsreaktoren, Generation-IV-Reaktoren und Fusionsreaktoren.

  • Konventionelle Reaktoren basieren auf der Spaltung von schweren Atomkernen. Bei dieser Spaltung entstehen, neben freigesetzter Energie, Neutronen, welche weitere Atomkerne spalten. Die daraus resultierende Kettenreaktion setzt viel Energie frei, ohne Energie hineinzustecken. Aber sie birgt Gefahr: Wird die Kettenreaktion nicht reguliert, kommt es im schlimmsten Fall zu Unglücken wie in Tschernobyl oder Fukushima. Ein weiteres bekanntes Problem ist der sogenannte Atommüll, welcher für tausende Jahre gefährliche Strahlung absondert und daher stark geschützt für lange Zeit gelagert werden muss.
  • Sogenannte Generation-IV-Reaktoren, am bekanntesten sind hierbei Thorium-Flüssigsalzreaktoren, sollen diese beiden Probleme minimieren, deswegen werden sie von Atomkraft-Fans als Pro-Kernenergie-Argument genutzt. Diese Reaktoren regulieren sich selbst: steigende Reaktivität bewirkt eine Erwärmung und diese wiederum eine Absenkung der Reaktivität. Unfälle können so relativ sicher ausgeschlossen werden, solang der Reaktor intakt ist. Außerdem entstehen andere Produkte, welche weniger radioaktiv sind. Befürworter:innen der Atomkraft übertreiben hierbei jedoch etwas, denn die aktivierten Stoffe bleiben weiterhin gesundheitlich sehr bedenklich. Außerdem wurde in bisherigen Forschungsreaktoren festgestellt, dass die Wartung durch Effekte wie Korrosion verhältnismäßig aufwendig ist, was wiederum ein Sicherheitsrisiko darstellt. Expert:innen dämpfen die Hoffnung, dass dieser Reaktortyp die Lobpreisungen der Befürworter:innen erfüllen können. (vgl. [1]) Es ist geplant, ab 2030 Reaktoren dieser Generation marktreif entwickelt zu haben. Wie weit deren Entwicklung dann sein wird, insbesondere was die Halbwertszeiten der Spaltprodukte angeht, ist völlig ungewiss. Demnach kann nicht abgeschätzt werden, ob diese Reaktoren mittelfristig eine Lösung für CO2-neutrale Stromerzeugung sein können.
  • Fusionsreaktoren sind eher getrennt von den vorherigen Typen zu betrachten. Sie beruhen auf der Fusion von Wasserstoffatomen zu Heliumatomen. Der Brennstoff ist in nahezu unerschöpflichen Mengen verfügbar und der Energiegewinn höher als bei allen anderen bekannten Formen der Energiegewinnung. Durch die hohen Anforderungen an eine erfolgreiche Kettenreaktion sind sie außerdem sicher, es kann physikalisch nicht zu Unfällen kommen. Die radioaktiven Abfälle sind außerdem wesentlich unbedenklicher als die aus konventionellen Reaktoren und könnten sogar medizinisch verwendet werden. Daher gelten Fusionsreaktoren unter Expert:innen tatsächlich als sichere, grüne Energiequelle.[2] Der Haken: nach 75 Jahren Forschung ist eine Marktreife noch nicht in greifbarer Nähe. Ob es noch 20, 50 oder 100 Jahre braucht, bis diese Technik von den Menschen beherrscht wird, ist schwer abschätzbar. Im Worst-Case stellt sich heraus, dass sie nie wirklich wirtschaftlich nutzbar sein wird. Diese Forderung ist also eine pure Zukunftsfantasie.

Doch welche Forderungen schließen wir aus diesem Einblick in die Kernenergietechnik?

  1. Konventionelle Atomkraftwerke bleiben eine nicht vollständig kontrollierbare Gefahr. Die Abschaltung der Atomkraftwerke ist und bleibt richtig.
  2. Wir lehnen momentan den Neubau neuartiger Reaktortypen, wie Thorium-Flüssigsalzreaktoren, zur Energiegewinnung ab.
  3. Sollte es der Forschung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gelingen, Reaktoren zu entwickeln, für die die Sicherheits- und Umweltschutz-Bedenken vernachlässigbar klein ausfallen, stehen wir einer Debatte über die Nutzung dieser neuen Technik offen gegenüber. Dafür werden Forschungsgelder in den kerntechnischen und -physikalischen Instituten bereitgestellt.
  4. Langfristig befürworten wir den Einsatz sicherer Reaktortypen wie Fusionsreaktoren, sollten sie zum Zeitpunkt der Marktreife den dann existierenden Energiemix aus erneuerbaren Energien sinnvoll erweitern.
  5. Kurzfristig hilft uns die Atomkraft nicht bei der Überwindung der Klimakrise. Sie darf keine Ausrede für mangelnde Investitionen in erneuerbare Energien sein.

Quellen:

[1] https://www.theguardian.com/environment/2012/sep/13/thorium-alternative-nuclear-fuel-overstated

[2] https://www.ipp.mpg.de/2638139/faq8, https://www.ipp.mpg.de/2543936/faq3 und https://www.ipp.mpg.de/2641049/faq9