Offener Brief- Wir wollen keinen Abschiebekanzler

Offener Brief- Wir wollen keinen Abschiebekanzler!!!-

Hallo Olaf,

nach der Bundestagswahl waren wir erfüllt von Hoffnung. Wir hatten Hoffnung für eine progressive Regierung. Wir hatten Hoffnung für eine gute Sozial- und Umweltpolitik. Wir hatten auch Hoffnung für eine humanere Asylpolitik. Aber seit deiner Wahl zum Bundeskanzler 2021 haben sich die Zustände für Geflüchtete verschlimmert. Früher war Hetze gegen Geflüchtete vor allem auf AfD Wahlplakaten und an Stammtischen zu finden. Heute hetzen sogar Mitglieder unserer Bundesregierung gegen sie. Auch du. Das Spiegelcover, auf dem du forderst in großen Stil abzuschieben war ein Schlag ins Gesicht. Ein Schlag ins Gesicht für alle Genoss*innen, die sich für Geflüchtete und gegen rassistische Hetzer einsetzen. Wie glaubwürdig können wir als Jusos und SPD hier in Sachsen vor Ort mit Initiativen zusammenarbeiten, die sich für Geflüchtete einsetzen, wenn unser SPD-Kanzler auf dem Cover einer der bekanntesten Zeitschriften in Deutschland mehr Abschiebungen fordert?! Aber vor allem war es ein Schlag ins Gesicht für alle Parteimitglieder, die selbst eine Fluchtgeschichte oder keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. Diese Menschen haben FÜR DICH Wahlkampf gemacht, sie haben dich unterstützt, sie sind FÜR DICH eingestanden, aber du machst keine Politik für sie. Du hast damals mit “Respekt für Dich!” Wahlkampf gemacht. Wir fragen dich nun, wo ist dieser Respekt geblieben?

Auch dein Verhalten nach dem furchtbaren islamistischen Mord in Mannheim war absolut inakzeptabel. Wie kann man guten Gewissens Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan fordern? Wie kann man das als Sozialdemokrat fordern? Du redest von Abschiebungen für Gefährder:innen nach Afghanistan, zu den Taliban. Was für ein Deal soll das sein, mit einem Terrorregime? Ein Deal mit den Taliban würde beinahe zwangsläufig deren internationale Anerkennung bedeuten. Es würde bedeuten, dass die Taliban Gelder von Deutschland einstreichen – und wofür? Menschenunwürdige Zustände für Abgeschobene? Selbst, wenn du “nur Gefährder:innen” abschieben willst – willst du den Taliban ihre Kämpfer bezahlt zurückgeben, während du noch nichtmal unsere einstigen Ortskräfte da rausgeholt hast?? Die Zustände in diesen Ländern müssen dir doch bewusst sein! Abschiebungen nach Syrien bedeuten Folter in Gefängnissen wie Saydnaya. Allein in diesem Gefängnis wurden laut Amnesty international seit Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 13.000 Menschen brutal vom Assad- Regime ermordet. Es geht hierbei nicht nur um deine Wahlergebnisse oder deine Beliebtheit in der Bevölkerung, es geht um das Leben von Menschen. Wer Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan fordert, aus welchem Grund auch immer, dem sind die Leben dieser Menschen egal. Vor allem bringt das Fordern von immer mehr Abschiebungen nichts. Die rechtsextreme AfD verliert dadurch keinen Zuspruch.

Hier in Sachsen erleben wir den Rechtsruck besonders heftig. Jeden Tag wachen wir mit Zukunftsängsten auf. Wir haben Angst vor der nächsten Wahl, wir haben Angst verbal, aber auch physisch angegriffen zu werden, wenn wir unsere politische Meinung offen zeigen. Erst im Mai wurde Matthias Ecke auf offener Straße angegriffen. Linke wurden mit einer Machete bedroht. Ein junger Gewerkschaftler wurde am hellichten Tag krankenhausreif geprügelt. Aber vor allem haben wir Angst um unsere geflüchteten Freunde und Genoss*innen. Wir beobachten mit Sorge, wie immer mehr rote Linien in der Gesellschaft verschoben werden und immer mehr Hass gegen Minderheiten verbreitet wird. Diese roten Linien des Sagbaren und des Unsagbaren verschiebst auch du mit deinen Aussagen und Forderungen. Mittlerweile führen auch Kandidat:innen demokratischer Parteien viel hasserfülltes Vokabular, wie von der rechtsextremen AfD übernommen. Auch SPD-Politiker*innen fordern und verabschieden Gesetze, die eher an AfD- Politik erinnern.

Wie lange können wir noch in dieser Partei bleiben, wenn das die Politik ist, die hochrangige Mitglieder machen? Können und wollen wir für so eine Partei weiterhin Wahlkampf machen, obwohl sie Politik gegen unsere Grundwerte macht? Viele von uns überlegen, das Parteibuch abzugeben. Wir fordern von dir eine Rückkehr zu humanistischer Asylpolitik – dazu gehört vor allem eine Rücknahme deiner Versprechen bezüglich Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Zusätzlich fordern wir von dir eine Entschuldigung für deine rassistischen Aussagen und für die inhumane Forderung von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. Solche Aussagen dürfen sich nicht wiederholen! Abschließend verlangen wir von einem sozialdemokratischen Bundeskanzler, dass er Geflüchtete und Organisationen, die sich für sie einsetzen unterstützt, anstatt gegen sie zu hetzen.