Europäische Energieunion – für eine europäische Solidargemeinschaft der Energiesicherheit

Die Vollversammlung der Jusos Dresden möge beschließen und an die Landesdelegiertenkonferenz der Jusos Sachsen weiterleiten:

Die Bundesregierung muss sich für eine umgehende Reform des EU-Energieaktionsplans einsetzen und die Umsetzung eines verbesserten Aktionsplanes innerhalb der Europäischen Union vorantreiben.  

Die Konfliktsituation in der Ukraine hat die Konstruktionsfehler und Implementierungsversäumnisse des vom Europäischen Rat 2007 beschlossenen Energieaktionsplans offenbart und die strategische Bedeutung des Energieträgers Gas für die Versorgungssicherheit Osteuropas unterstrichen.

Zentrale Nachbesserungen und Kernziele einer forcierten Umsetzung müssen daher sein:  

  • Ein zügiger Ausbau der transeuropäischen Energienetze, die alle osteuropäischen Staaten – auch jene ohne EU-Mitgliedschaftsstatus – miteinbeziehen, um nachfragegerechte Leitungskapazitäten vom Baltikum bis zum Balkan zur Verfügung zu stellen, die auch bei Einspeisungsschocks Versorgungssicherheit für alle osteuropäischen Staaten gewährleisten.
  • Der Aufbau eines europaweiten Systems von Lagerstätten und Energiereserven, gerade für den Energieträger Gas.
  • Eine solidarische Finanzierung dieser Investitionsmaßnahmen durch alle Mitgliedsstaaten über das Budget der Europäischen Union, damit kleine und wirtschaftlich schwächere, osteuropäische Staaten dieselbe energiepolitische Versorgungssicherheit genießen, wie westeuropäische Mitgliedsstaaten
  • Einer schärferen Überwachung des Energiebinnenmarktes, der die Preisdiskriminierung großer Anbieter zwischen den EU Staaten unterbindet
  • Eine gemeinsame Energieaußenpolitik, bei der die EU als alleiniger Verhandlungspartner für alle Mitgliedsländer gegenüber Drittstaaten und deren Lieferanten auftritt, um monopolistische Verhandlungsbedingungen zu verhindern und bessere Preise und Lieferbedingungen für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger auszuhandeln.“

Begründung: 

Die Konfrontation zwischen der westlichen Staatengemeinschaft und Russland in der Ukrainekrise ist ein Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Russland und den europäischen Staaten. Mit der Bedeutung Russlands für die Energieversorgung Europas fordert diese Wende eine grundlegende Überprüfung und Neubewertung der europäischen Energiestrategie.

Dabei wird klar, dass die energiepolitische Schwäche Europas keine grundsätzliche ist, sie liegt in seiner Gespaltenheit in diesem Politikfeld. Auf Kosten der Nachbarn, verfolgt jeder Staat allein seine eigenen Ziele von Versorgungssicherheit und niedrigen Lieferpreisen gegenüber Lieferanten. Große Anbieter können damit gerade kleine und wirtschaftliche Schwache europäische Staaten ausmanövrieren, isolieren und ausbeuten. In diesem abgekarteten Spiel kämpft Nachbar gegen Nachbar und alle verlieren.

Das politische Taktieren um die South-Stream Pipeline in Konkurrenz zur Nabucco-Pipeline illustriert exemplarisch diesen Missstand:

Um Südosteuropa unabhängiger von russischen Gasimprten zu machen unterstützte die Europäische Union in einem von allen Mitgliedsstaaten konsensual getragen Beschluss des Europarates den Bau einer Pipeline vom Kaukasus über die Türkei und den Balkan bis nach Österreich. Ungeachtet ihrer Zustimmung im Europarat umgingen jedoch Ungarn und Italien in bilateralen Verträgen mit Russland diese Gemeinschaftslösung und beteiligten sich am Bau einer konkurrierenden Verbindung aus Russland über das Schwarze Meer – die South-Stream Pipeline. Die Zügige Umsetzung des Baus durch Russland brachte die Wirtschaftlichkeit der Nabucco Pipeline in eine so eklatante Schieflage, dass das Projekt begraben wurde.

Gerade auch Deutschlands Rolle als Vorreiter solcher bilateralen Abkommen, die eine solidarische, gemeinschaftliche Lösung verunmöglichen – etwa durch die Nord Stream Pipeline durch die Ostsee – unterstreicht die Bedeutung eines Umdenkens gerade deutscher Energiepolitik für ein einigeres Europa.  

Reiche, westeuropäische und große Länder können sich durch ihren diversifizierten Energiemix vielleicht teilweise wehren und ihr Wohlstand macht es ihnen möglich auch überhöhte Energiekosten zu tragen, doch für osteuropäische, ärmere und kleine Staaten übersetzt sich diese Schwäche in gravierende Nachteile – bis hin zur politischen Abhängigkeit.  

Ein progressives Europa kann das nicht tolerieren, sondern zeigt sich solidarisch mit den osteuropäischen Nachbarländern. Dafür muss die Europäische Union ihre im Energieaktionsplan formulierten Ziele und Strategien überdenken und insbesondere bei der Umsetzung der gemeinsamen Ziele deutlich stärkere Anstrengungen unternehmen.  

Kern einer Reform muss der Energieträger Gas sein. Mit wesentlich geringeren Kohlendioxid Emissionen gegenüber anderen fossilen Energieträgern und seiner Eignung für Spitzen- wie Regellasteinsatz bei der Stromgestehung ist der Energieträger Gas nicht nur mit den klimapolitschen Zielen Europas kompatibel, sondern eben auch Dreh- und Angelpunkt der Energie- Importabhängigkeit osteuropäischer Staaten. Die Herausforderung des Energieträgers Gas ist dabei seine Leitungsgebundenheit. Hier muss eine Reform des Energieaktionsplans ansetzen:  

Nur über einen Ausbau der Leitungsnetze über die Ländergrenzen der einzelnen europäischen Staaten hinweg ist es Mitgliedsstaaten ohne Meereszugang möglich ihre Importe zu diversifizieren und günstigere Angebote, etwa von verflüssigtem unkonventionellem Erdgas aus Nordamerika bis zu neu erschlossenen Erdgasförderfeldern in der Kaukasus-Zentralasien-Region, in Anspruch zu nehmen.

Ebenso können nur moderne, überregionale Leitungsnetze im Falle eines Lieferschocks die Versorgungsrichtung wechseln und somit flächendeckende Versorgungssicherheit bieten.  

Der Ausbau und die Modernisierung der europäischen Leitungsinfrastruktur muss solidarisch mit Mitteln der Europäischen Union finanziert werden, damit ärmere Mitgliedsstaaten nicht außen vor gelassen werden. Auch Nachbarstaaten, die noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind sollten über eine Integration in das europäische Energiesystem frühzeitig an Europa gebunden und über eine solidarische Energieunion von den Vorteilen der europäischen Gemeinschaft überzeugt werden.  

Weiteres Reformziel muss ein einigeres Auftreten gegenüber großen Energieversorgern sein. Das gilt einmal nach innen, wo die Europäische Kartellbehörde schärfer gegen monopolistische Akteure auftreten muss, wie nach außen, wo die Europäische Union als alleiniger Verhandlungspartner für alle Mitgliedsstaaten zu agieren hat.

Die Notwendigkeit dafür machen die eklatanten Preisunterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten deutlich. Große Länder mit vielen Zuliefererstaaten können wesentlich bessere Preise aushandeln, als kleine Länder, die zu nahezu 100% von einem Versorger abhängig sind. Illegale Preisdiskrimierung gegen die Binnenmarktbestimmungen der EU durch komplexe Subunternehmerstrukturen und unverhältnismäßig langfristige Vertragslaufzeiten, ermöglichen Monopolisten darüber hinaus unlautere Möglichkeiten zur Profitmaximierung auf Kosten der europäischen Verbraucher*innen.  

Sichere und tragbare Energiepreise sind nicht nur Standortfaktor, gerade für die aufholenden Volkswirtschaften der osteuropäischen Staaten, sondern zentraler Garant für die Kaufkraft und materielle Teilhabe der breiten Bevölkerung dieser Länder.

Aber eine solidarische Energieunion ist weit mehr als Standortpolitik. Der europäische Einigungsprozess begann mit der Union für Kohle und Stahl. Die offenkundigen, konkreten Vorteile einer gemeinschaftlichen Energiepolitik legten die Grundlage für 60 Jahre politischen Einigungsprozess. Die Krise der strategischen Partnerschaft mit Russland fordert Europa heraus. Wieder einmal liegt die Lösung in einer erneuerten Zusammenarbeit und dem Zusammenstehen aller europäischen Nationen, wieder einmal kann die Grundlage für eine vertiefte Integration des Kontinents über eine gemeinsame Energiepolitik gelegt werden. Zeit die politischen Umwälzungen für ein einiges Europa zu verwandeln, Zeit für eine Europäische Energieunion.